5. Sustainable Finance: EU Plattform veröffentlicht Bericht zur sozialen Taxonomie
Am 12. Juli 2021 veröffentlichte die EU-Plattform für nachhaltige Finanzen (EU Platform on Sustainable Finance), ein Beratergremium der Kommission, ihren Berichtsentwurf über den Vorschlag für eine Sozialtaxonomie zur Konsultation und veranstaltete ein praktisches Briefing zur Vorstellung des Berichts. Der Bericht stellt als Ausgangslage und Begründung für eine soziale Taxonomie fest, dass es einen starken Bedarf an sozialen Investitionen gibt – namentlich erschwinglicher Wohnraum, Gesundheitsfürsorge, Ausbildung, Achtung der Menschenrechte – da Investoren zunehmend nach sozialen Investitionsmöglichkeiten suchen. Die Plattform argumentiert auch, dass es einen Bedarf an sozial integrativen Maßnahmen gibt, die den grünen Übergang begleiten. Vor diesem Hintergrund, wie auch bei der grünen Taxonomie, ist die Begründung für den Vorschlag der sozialen Taxonomie der erhebliche Mangel an Definitionen und einem standardisierten Klassifizierungssystem für soziale Ziele. Die Konsultation läuft bis 27. August 2021.
Folgende Punkte sind besonders erwähnenswert:
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- Es handelt sich noch nicht um eine offizielle Konsultation der Kommission selbst; vielmehr wird die EU-Kommission unter Berücksichtigung dieses konsultierten Berichts in Q4 2021 überhaupt erst entscheiden, ob eine Sozialtaxonomie erlassen werden soll.
- Falls eine Sozialtaxonomie kommt, ist der vorliegende Entwurf sicherlich inhaltlich mitentscheidend.
- Finanzmarktteilnehmer sollen eine Orientierungshilfe haben, wie soziale Investitionen definiert werden und welche Kriterien sie anwenden müssen, wenn sie ein Finanzprodukt mit sozialen Zielen oder Eigenschaften schaffen oder in ein solches investieren wollen. Ziel ist es, eine nachvollziehbare und allgemein anerkannte Definition dafür zu schaffen, was eine sozial nachhaltige Tätigkeit oder ein sozial nachhaltiges Unternehmen ist. Eine soziale Taxonomie hat das Potenzial, eine Angleichung bei der Messung sozialer Aspekte herbeizuführen. Die Anwendung dieser Kriterien durch Unternehmen oder durch Investoren soll indes freiwillig sein.
- Die Sozialtaxonomie soll möglichst in enger Anlehnung an die Systematik der Umwelttaxonomie ausgestaltet werden: Es wird eine Klassifikation erstellt, und wiederum wird unterschieden in „substantielle Beiträge“ zu einem Sozialziel, DNSH-Kriterien und einen Mindestschutz basierend auf UN- und OECD-Leitlinien.
- Im Vergleich zur Umwelttaxonomie, bei welcher strikt wissenschaftliche Ansätze zugrunde liegen sollen, ist dies bei Sozialzielen nicht möglich, weil diese weit stärker von weltanschaulichen, politischen oder soziokulturellen Meinungen abhängen. Deshalb wird weitgehend auf internationale Standards referiert. Auch ein Abstellen auf Wirtschaftstätigkeiten wie bei der Umwelttaxonomie ist nicht gleichermaßen möglich, weshalb der Fokus eher auf Produkten und Dienstleistungen liegt.
- Vorgeschlagen wird eine horizontale und eine vertikale Dimension einer Sozialtaxonomie. Diese zweifache Dimension spiegelt die Unterscheidung zwischen "inward"- und "outward"-Beitrag von Unternehmen zu den SDGs wider. „Nach innen“ bezieht sich auf die interne Sphäre des Unternehmens und seine Auswirkungen durch die eigenen Aktivitäten (Lohnpolitik, Beschaffung, etc.). Outward weist auf die Auswirkungen der von einem Unternehmen verkauften Produkte und Dienstleistungen hin (extern/outbound fokussiert). Bei der horizontalen Dimension zielen die Kriterien auf Prozesse in einem Unternehmen ab, die installiert wurden, um die Rechte der Stakeholder zu respektieren, bei der vertikalen Dimension zielen die Kriterien auf Aktivitäten für soziale Produkte und Dienstleistungen ab, die auf dem Konzept des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard basieren (Art. 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte). Die vertikale Dimension ist der Umwelttaxonomie vergleichbar. Sie ist mit Aktivitäten verknüpft. Der Grundgedanke ist, dass mehr Kapital in die Produktion von zugänglichen Produkten und Dienstleistungen fließt und damit deren Angebot erhöht.
- Der Bericht schlägt vor, das Konzept der Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Akzeptanz und Qualität (Availability, Accessibility, Acceptability, Quality – AAAQ) als Ausgangspunkt für die Entwicklung technischer Auswahlkriterien zu verwenden.
- Der Bericht legt nahe, dass eher keine „G“-Taxonomie mehr folgen wird; es handelt sich um keinen Vorschlag für eine "Governance-Taxonomie". In Anlehnung an die Mindestsicherung ist die Idee, Kriterien für eine nachhaltige Corporate Governance z.B. auf Basis der OECD-Leitlinien zu entwickeln. Nach Auffassung der Plattform haben Governance-Faktoren Bedeutung für die Umwelt- wie die Sozialtaxonomie.
- Der Bericht schlägt zwei Modelle vor: Eine einzige Taxonomie, die wirtschaftliche Aktivitäten definiert, die sowohl sozial als auch ökologisch nachhaltig sind, oder zwei unabhängige Taxonomien – eine, die ökologisch nachhaltige Aktivitäten definiert und die andere, die sozial nachhaltige Aktivitäten definiert.
- Modell 1: Die soziale und die ökologische Taxonomie sind nur durch soziale und ökologische Mindestgarantien miteinander verbunden, wobei die Governance-Garantien für beide gelten. Die UN-Leitprinzipien würden als Mindestgarantien für den Umweltteil dienen, während der Umweltteil der OECD-Leitsätze als Mindestschutz für den Sozialteil dienen würde. Die Kehrseite wären oberflächliche soziale und ökologische Kriterien im jeweils anderen Teil.
- Modell 2: Es gäbe eine Taxonomie mit einer Liste von sozialen und ökologischen Zielen und DNSH-Kriterien. Es wäre im Wesentlichen ein System mit identischen DNSH-Kriterien für die sozialen und ökologischen Ziele. Je nachdem, wie streng diese DNSH-Kriterien sind, wäre der Nachteil, dass es weniger Aktivitäten gäbe, die sowohl den sozialen als auch den ökologischen DNSH erfüllen würden.
Wie eingangs festgehalten, läuft die Konsultation zur Sozialtaxonomie bis Freitag, 27. August 2021.
Den Berichtsentwurf finden Sie unter nachfolgendem Link:
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